Jede Metropole hat eine Lebensader, ohne die sie nicht zu dem geworden wäre, was sie ist. Für London ist es die Themse, für Paris die Seine, für Rom der Tiber, für Budapest die Donau. Das Bild dieser Städte ist ohne ihre Flüsse kaum vorstellbar. Das ist in Berlin anders. Noch im 19. Jahrhundert war die Spree für die Urbanisierung der Metropole ebenso von Bedeutung, wie für den täglichen Warentransport und diente mit ihren Stränden und Bädern dem Freizeitvergnügen. Mühlen drehten sich, es florierte der Fischfang und zugleich verwandelte sich der Fluss bei seinem Weg durch Berlin zusehends in eine Kloake. Über die Spree konnte man sich freuen und empören. Heute dagegen spielt sie im öffentlichen Bewusstsein kaum noch eine Rolle.
Götz Lemberg setzt ihr nun ein Denkmal und betritt mit seinem Projekt zugleich Neuland. Es zeigt den Fluss in gesamter Länge auf seinem Weg durch die Hauptstadt und lädt zu einer Entdeckungsreise ein, die auch an Orten vorbeiführt, die selbst den meisten Berliner*innen unbekannt sein dürften, allein schon, weil der Fluss an vielen Stellen nicht zugänglich ist.
Auf Höhe der Wasseroberfläche und von der Flussmitte aus nimmt Lemberg mit seiner Kamera die Perspektive der Spree ein. Vom Müggelsee bis zur Havelmündung in Spandau markiert er alle 333 Meter einen vertikalen dreiteiligen „Cut“, einen „Fotoschnitt“ jeweils beider Ufer. So verdichten sich die 43 Kilometer des Spreelaufs von ihrem Eintritt ins Berliner Terrain im Dämeritzsee bis zu ihrer Mündung in die Havel zur Illusion eines Panoramas, das den Fluss als Verbindung von Natur, Industrie und urbanem Raum porträtiert.
Götz Lembergs fotografische Installation SPREE-CUTS. Portrait einer Stadt_Fluss_Landschaft bezieht drei sehr unterschiedliche Institutionen und geografische Standorte ein. Eines eint alle drei: Sie befinden sich in Spreenähe – an ihrem Eintritt in die City in Friedrichshain-Kreuzberg, am innerstädtischen Spreebogen in Moabit und an der Mündung in Spandau. Lembergs dreiteiliges Werk ist eine Fortsetzung seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit den Themen Landschaft und Stillleben. Die SPREE-CUTS bilden den Abschluss der über sieben Jahre entstandenen Porträts von Berlin und Brandenburg anhand der wichtigsten Flüsse: Oder, Havel und Spree.
Das Projekt macht deutlich, welchen Wert die Spree auch heute noch für Berlin als Lebensquelle besitzt. Mit dem Spiel von ungewohnten Perspektiven, Brüchen der Wahrnehmung und assoziativen Neuverknüpfungen erkundet Lemberg den Verlauf des Flusses und zugleich die visuellen Dimensionen der Fotografie. So wird die komprimierte Reise zu einer Fahrt vorbei an Fabriken und Villen, Häfen und Monumenten, Brachen und Idyllen, durch Landschaft und Geschichte, durch Zeit und Raum.